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Schubladendenken

Ich hatte heute mal wieder das Vergnügen mit dem immer wiederkehrenden Argument bezüglich der Persönlichkeitspsychologie konfrontiert zu werden: "ich lasse mich nicht in eine Schublade stecken". Angesichts der Tatsache dass mir das jetzt schon häufiger passiert ist stellt sich die Frage: warum reagieren die Menschen so?

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Dieser gesamte Themenkomplex der auf Jung's Arbeiten beruht - die Denkfunktionen, die MBTI-Typen, die Zuordnung von Körpersprache zu den Funktionen - rangiert irgendwo zwischen Pseudowissenschaft und bloßem Unsinn. Dabei ist doch nicht von der Hand zu weisen dass verschiedene Menschen in der gleichen Situation unterschiedlich agieren und die Denkfunktionen sind doch nur ein Versuch, darin ein Muster zu erkennen.

Und nach meiner eigenen subjektiven Meinung ist das sogar ein sehr, sehr guter Versuch, nicht schlechter als manche Theorien in der Physik. Es verdienen sich angesehene Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten ihr Geld damit, zwölfdimensionale Stringtheorien zu entwickeln die qua Definition nicht beweisbar sind, ganz zu schweigen von den Scharen von Supersymmetrischen Teilchen die nie aufgetaucht sind als man sie denn tatsächlich hätte nachweisen können.

Also warum die Vorbehalte gegen eine Theorie von Denken und Persönlichkeit mit der man sogar das Verhalten von Menschen vorhersagen kann (vorausgesetzt ich behalte Recht und Xi lässt die Finger von Taiwan zumindest bis 2050)?

Ein Ansatz ist eine andere Beobachtung, die ich auch in letzter Zeit häufiger machen musste: Menschen tun sich unglaublich schwer damit Fehler zuzugeben. Und ich meine damit nachweisbare Fehler. Zum Beispiel hat sich die Firma die bei mir ein neues Rolltor eingebaut hat entweder vermessen oder hat falsch bestellt oder es wurde falsch montiert - jedenfalls ist das Tor einen ganzen Zentimeter breiter als die lichte Weite. Aber damit konfrontiert will der zuständige Mitarbeiter das einfach nicht glauben. Als ob ich als Inhaber einer genauso technischen Firma nicht richtig nachmessen könnte. Ich musste ihn quasi dazu zwingen sich das selbst anzusehen. Nur ... warum? Es braucht nicht viel Phantasie sich vorzustellen dass mir so was auch schon passiert ist, wenn auch gottseidank selten genug. Wenn der Monteur im frühen Vormittag anruft "Chef, so geht das nicht". Tja, wenn man rational ist bleibt einem nichts anderes übrig als das Problem frontal anzugehen, von alleine geht das ja nicht weg. Also alles stehen und liegen lassen, hinfahren und vor Ort eine Lösung suchen und notfalls verhandeln um mit dem geringstmöglichen Schaden aus der Sache herauszukommen. Wenn man den Kopf in den Sand steckt hilft das überhaupt rein gar nicht, solche Probleme haben die üble Angewohnheit immer noch da zu sein wenn man gezwungen ist den Kopf irgendwann wieder aus dem Sand zu ziehen. Und manchmal wird es halt teuer wie die ESG-Glasplatte die zu groß ist und die man einfach nicht kleiner machen kann (das war aber nicht ich!).

Die zweite Beobachtung ist eher ein Spruch den ich im Zusammenhang mit den USA gehört habe: "Warum hat in den USA der Sozialismus nie Fuß fassen können? Weil es kein Proletariat gibt, nur Millionäre in zeitweise ungünstigen Umständen."

Beides zusammen macht Sinn wenn man es auf die Persönlichkeitstypen anwendet. Wie bei den "verhinderten Millionären" glauben Menschen wohl immer noch, dass sie ihre Persönlichkeit, ihre Fähigkeiten beliebig ändern könnten und ihr gegenwärtiger Zustand nur so ist weil sie das im Moment so wollen. Die Existenz von festen Persönlichkeitstypen widerspricht dem ja, nach dem Motto "man kann nicht alles können". Je nach persönlichem Standpunkt ist das eben gut oder schlecht. Wenn man bereit ist anzuerkennen dass man Schattenseiten hat, Dinge die man wenig bis gar nicht kann - eben Fehler zuzugeben - dann ist es sogar positiv weil es bedeutet dass man schlussendlich nichts dafür kann. Dabei ignoriere ich jetzt mal die Myriade an Möglichkeiten wie man seine Persönlichkeit weiterentwickeln kann. Man kann halt nur das Fundament nicht ändern.

Wenn man aber in der Illusion lebt man könne jeder Mensch sein und jede Fähigkeit haben die man will, wenn man nur will - dann ist so ein Konzept natürlich eine einschränkende Schublade. Und dass man keinen absoluten freien Willen hat sondern eben von diesen Funktionen gesteuert und damit im Prinzip vorhersagbar ist. Und da reißt so ein Konzept natürlich die Blumen von der Kette (um bei dem von Karl Marx verwendeten Bild zu bleiben).

Und ein weiterer Punkt könnte sein, dass jeder sich für absolut einzigartig hält - was trotzdem immer noch wahr ist - und die bloße Vorstellung zu einer kleinen Zahl von Typen zu gehören schon abstoßend ist. Komisch nur, dass die gleichen Menschen nichts gegen Konfektionskleidung haben. Es gibt halt Menschen mit ähnlicher Statur und die Zahl der Menschen die sich die Klamotten auf den Leib schneidern lassen ist verschwindend gering - stattdessen akzeptiert man dass es eben eine Nummer von Kleidergrößen gibt.

Man stelle sich das doch nur vor wie mies diese Erfahrung für mich sein muss: Mit Putin, Xi und Scholz (um nur ein paar zu nennen) sind INTJs doch durch die Bank keine sympathischen Zeitgenossen. Und ich weiß auch dass ich je nach Stimmung auch nicht besonders umgänglich bin. Aber es gibt eben auch deutliche Unterschiede die nicht von den Denkfunktionen abhängen wie eben Ideale, Motivation, die Dark Factors oder die Fähigkeit die untergeordneten Funktionen zu nutzen. Und eben Verhaltensweisen zu lernen die man natürlicherweise nicht hat. Man wird dabei nie so gut wie jemand dem das angeboren ist, aber man kann sich unzweifelhaft persönlich verbessern.

Und was sich natürlich auch immer wiederholt: man hat es hier mit einer kategorischen Ablehnung zu tun. Nicht dass man unterschiedlicher Meinung wäre und versucht die Argumente der Gegenseite mit Fakten zu widerlegen. Dabei könnte man ja auf verlorenem Posten stehen - stattdessen beweist man seine Ignoranz und klammert sich an der eigenen Position fest ohne überhaupt Argumente dafür zu haben "Es ist so weil es eben so ist", der klassische Zirkelschluss.

Ich sollte mich eigentlich nicht darüber aufregen, denn die Menschen die nicht in der Lage sind offen und rational mit so einem Konzept umzugehen sind kein großer Verlust. Wie so ein anderer Spruch den ich aufgeschnappt habe es so schön sagt: "Das Problem ist nicht andere Menschen kennenzulernen. Das Problem ist die Menschen zu finden die man kennenlernen will". Ich bin offen in alle Richtungen, wenn mir jemand beweist, dass der ganze Kram falsch ist bin ich der letzte der das nicht einsieht. Ich würde auch mit jemandem diskutieren der mich davon überzeugen will dass die Erde keine Kugel, sondern ein Donut ist und Nord- und Südpol eigentlich identisch sind, beides ist ja kalt und weiß und das halbe Jahr im dunkeln. Mir fallen da zwar gleich ein paar Argumente ein warum das nicht sein kann, aber darum geht es ja - objektiv zu beweisen dass man recht hat oder falls das nicht möglich ist, zumindest eine Menge schlagkräftiger Indizien vorzuweisen.

Und um die schönen Namen die personalityhacker.com für die Denkfunktionen gefunden hat zu verwenden: Es ist doch kein Wunder wenn meine Mutter Entdecken als eine der Hauptfunktionen hat und es dann schafft, in unserem kleinen Ort mit fünf Läden für Stunden einkaufen zu gehen. Und immer wieder etwas neues anschleppt was es irgendwo im Sonderangebot gibt. Und bei mir mit Effizienz die Sache in einer halben Stunde erledigt ist. Oder mein Vater mit Erleben mit über siebzig noch mit Alpinski anfängt und sich auf der Buckelpiste den Rücken bricht. Da beweise mir doch mal einer wie das Blödsinn sein soll ...

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