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Ein kaputtes Land

Mit den neuesten Meldungen aus den USA über den offen korrupten Richter am Obersten Gerichtshof müsste es eigentlich jedem klar geworden sein, dass die USA einfach ein kaputtes Land sind. Wie in so vielen anderen Fällen auch (zum Beispiel Russland) würde man den Menschen einfach nur wünschen eine ordentliche Regierung zu bekommen damit sich jeder Mensch frei entfalten kann und allgemeiner Wohlstand generiert wird. In Umfragen haben die US-Bürger eine deutliche Mehrheit für - aus unserer europäischen Sicht - "normale" Positionen bei Waffen, Abtreibung und all den anderen heißen Themen. Die politische Realität sieht hingegen anders aus.

Eine der Hauptwurzeln dieses Übels ist das angloamerikanische Mehrheitswahlrecht - und wie der Name schon sagt leidet Großbritannien genauso unter diesem Problem: dadurch dass nur die Abgeordneten ins Parlament einziehen die ihren jeweiligen Wahlkreis gewonnen haben reduziert sich die Anzahl der Parteien auf ganz wenige die eben Wahlkreise gewinnen können. In England sind es drei, in den USA nur noch zwei. Der innere programmatische Zusammenhalt in diesen Parteien ist äußerst mau, man ist zur Zusammenarbeit verdammt und es läuft alles praktisch nur noch über erzwungene Fraktionsdisziplin. In jedem anderen europäischen Land hätten sich die Tories in mehrere Parteien aufgespalten, im UK sind sie dazu verdammt weiter zusammenzubleiben denn bei einer Aufspaltung würden sich beide Kandidaten Konkurrenz machen und dadurch die Opposition den Sitz gewinnen.

Deshalb sind im Laufe der letzten Jahre beide US-Parteien immer mehr nach rechts gewandert - selbst die Demokraten sind marktliberaler als die FDP und konservativer als die CDU. Es gibt weder ein Kündigungsschutzgesetz, noch Mutterschaftsurlaub noch bezahlte Krankheitstage. Wir haben hier in Deutschland Ludwig Erhardt sehr, sehr viel zu verdanken. Und weil sich beide Parteien praktisch in einem Patt befinden gibt es eine sehr große Menge von Nichtwählern (vor allem unter den Schwarzen) die einfach deshalb nicht wählen weil es für sie absolut null Unterschied macht wer gerade regiert.

Und gerade die Republikaner haben das System auch noch so manipuliert dass sie trotz einer Minderheitsposition praktisch nicht mehr zu entfernen sind, wie ein Virus das sämtliche Organe und das Immunsystem befällt. Man kann das Virus nur noch loswerden indem man den Patienten killt. Wenn man einmal an der Macht war (und in den "roten" Staaten gab es praktisch nie einen Machtwechsel) dann ändert man eben einfach die Wahlkreise dass der eigene Kandidat die besseren Chancen hat (Garrymandering). Aber damit nicht genug: das US-System treibt das auch noch auf die Spitze indem auch Sheriffs, Staatsanwälte und Richter politisch bestimmt werden.

Für denjenigen der an der Macht ist ist das natürlich sehr praktisch weil man praktisch alle Gesetze machen kann die man will weil eine Klage dagegen ja vor seinen Parteigenossen landet. Und wenn dann diese Richter auch noch auf Lebenszeit ernannt werden dann braucht man sich auch nicht davor zu fürchten dass die Opposition die Mehrheitsverhältnisse mal schnell umkehrt. Und wenn die Exekutive direkt gewählt wird dann ist es auch noch verschmerzbar wenn mal wirklich das unvorstellbare passiert und man Parlament oder Gouverneur verliert - man verschiebt einfach mal gerade die Macht dahin wo es weniger weh tut.

Am Beispiel des US-Senats ist das deutlich: um die Regeln zu ändern bräuchte es mindestens 60 Stimmen oder so, die bestehenden Regeln garantieren aber dass es immer so bei 50:50 (plus-minus zwei bis drei) bleibt. Und da jeder Bundesstaat zwei Senatoren entsendet hat der von Wyoming genausoviel politisches Gewicht wie der von Kalifornien. Und man rate mal, wen die Wähler in den dünn besiedelten Bundesstaaten wählen und welche Bundesstaaten mehr Geld vom Bund bekommen als sie zahlen ...

Und wenn man jetzt schon einmal eine so tief eingegrabene politische Partei hat dann ist es natürlich auch äußerst praktisch dass es keinerlei Parteispendengesetze oder so gibt. Nein, im Gegenteil sind Wahlkämpfe unglaublich teuer und Großspenden sehr willkommen. Wenn das keine offene Korruption ist dann weiß ich es auch nicht. Und das führt dann dazu dass finanzstarke Einzelpersonen und Organisationen eine für sie maßgeschneiderte Politik bekommen. Und deshalb können noch so viele Kinder in Schulen erschossen werden, die NRA hat einfach sehr sehr viel mehr Einfluss als die Eltern der toten Kinder. Die wirklich Reichen schicken ja ihre Kinder auf Privatschulen oder unterrichten sie gleich zuhause, die interessiert das nicht. "Divide et Impera" in höchster Perfektion.

Deshalb kann es sein dass wir einen Richter am Supreme Court haben der Luxusreisen und äußerst schwach getarnte direkte Geldzuwendungen im Wert von Millionen Dollar von einem Superreichen bekommen hat nicht wirklich etwas zu befürchten hat - weil die Anzahl der nötigen Stimmen für ein erfolgreiches Impeachment eben praktischerweise auch so hoch liegt dass es in der Realität unerreichbar ist wenn man bei dem guten alten Grundsatz "eine Hand wäscht die andere" bleibt. Und gerade weil bei einem erfolgreichen Impeachment der Sitz an die andere Fraktion gehen würde ... also lassen wir schön mal den Deckel drauf.

Und das zieht sich durch dieses gesamte System bis nach unten zur Justiz - wenn ein junger männlicher Schwarzer mit Drogen erwischt wird dann landet er schneller lebenslänglich im Knast als man "Buh" sagen kann. Hat man hingegen Geld und Einfluss wie Donald Trump kommt man fast mit allem durch und es dauert Jahre bis sich die Staatsanwälte überhaupt einmal dazu durchringen zu ermitteln, dann nochmal bis man Anklage erhebt (wenn überhaupt ...). Wenn man gute Freunde in der Partei hat und für die Ermittlungen das Justizministerium zuständig ist das unter der Richtlinienkompetenz der Regierung steht ... man kann es sich vorstellen.

Kaputter kann ein System einfach nicht sein. Zumindest nicht wenn es vorgibt "demokratisch" zu sein.


Nachtrag: Es ist alles noch viel schlimmer. Diese Doku ist erschütternd:

Der einzige Satz den ich nicht so unterschreiben kann findet sich am Ende: "Ich glaube nicht, dass unsere Gründerväter das so beabsichtigt haben". Das Problem ist: Sie haben das sehr wohl. Die US-Demokratie war die erste moderne Demokratie und sie haben absichtlich nicht das antike griechische Modell der Demokratie übernommen - das auf dem Losverfahren basiert, nicht auf Wahlen. Die Erfindung der allgemeinen Wahl war volle Absicht, denn so konnten sie sicher sein, dass nicht irgendjemand an die Macht kommt, sondern jemand aus ihrem Kreis. Und das wohin es sich jetzt entwickelt hat ist nur eine logische Fortführung dieses Prinzips. Der Satz findet sich auch in der Doku: "Man muss Politiker nicht beeinflussen. Man braucht nur Einfluss darauf zu nehmen, welche Kandidaten zur Wahl stehen".

Ich glaube den Demokraten sogar, dass sie das System ändern wollen. Nur ist das dann die klassische Pakt-mit-dem-Teufel-Situation: Um überhaupt in die Lage zu kommen, das System ändern zu können müssen sie Wahlen gewinnen, und ohne selbst Großspenden einzusammeln haben sie überhaupt keine Chance dabei. Und dann ist es kein Wunder, dass die wachsende Unterschicht immer unzufriedener wird. In dem Punkt hat der linke Großspender recht: wenn die Schere zu weit auseinanderklafft, dann wiederholt sich das was 1789 in Frankreich passiert ist wo sich der Adel auch ungehemmt an den Armen bereichert hat.

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