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Drei Leserbriefe

Schon ein komisches Gefühl, wenn man die Leserbriefseite in der Zeitung liest und gleich drei der Schreiber am liebsten anschreiben würde weil ihre Position völlig unhaltbar ist. Ich brauche die Artikel nicht im Volltext zu zitieren, es reicht die Zusammenfassung: Petra S. schreibt zu dem Artikel, dass Jugendliche mit niedrigem Schulabschluss keinen Job mehr bekommen, trotz offener Lehrstellen: Sie schreibt, dass es früher nach dem 9. Schuljahr den Hauptschulabschluss gab und man danach eine weitere Ausbildung machen konnte und damit zehn Jahre länger auf sein Rentenkonto einzahlen kann als nach Abitur und Studium. Und das man heute mit dem ersten Schulabschluss keinen Ausbildungsplatz bekommt beziehungsweise Zeit verschwendet wird um nach Abitur und Studium trotzdem noch eine Ausbildung zu machen.

Petra S. vergisst nur einen wichtigen Punkt: Warum man mit niedrigem Schulabschluss keine der reichlich vorhandenen Lehrstellen bekommt. Entweder sind das Stellen die keiner will (weil anstrengend / schmutzig / unangenehme Arbeitszeiten), oder die Kandidaten werden wegen offensichtlicher Nicht-Eignung nicht genommen. Was immer mehr um sich greift ist einfach die mangelnde Sorgfalt. Man muss da streng trennen zwischen Fähigkeiten und Sorgfalt.

Nicht jeder hat die Fähigkeiten, komplexe Arbeitsabläufe zu lernen. Ich wurde als Chef ziemlich angerüffelt (von meinen Mitarbeitern!) weil ich als 16jähriger von meinem Vater eine Spülmaschine vor eine Musterküche gestellt bekam: "bau mal ein". Für mich war das kein Problem, es gibt eine Anleitung und da steht eigentlich drin was man in welcher Reihenfolge machen muss. Diese Anforderung ist aber anscheinend zu komplex für den durchschnittlichen ungelernten als ich das mit einem meiner Verkäufer wiederholen wollte. Selbst wenn man also die Latte ziemlich niedrig ansetzt und man nur noch voraussetzen kann dass jemand die ihm einmal gezeigten Arbeitsschritte wiederholen kann: Es ruiniert das Ergebnis wenn dies dann nicht sorgfältig erfolgt. Ein Beispiel habe ich dieser Tage wieder gefunden: An unserer neuen Heizung haben ein Geselle und ein Techniker gearbeitet und dabei auch den Kaminzugregler eingebaut. Vorne drauf ist auch eine Zeichnung wie man den einstellen muss:

So sollte es sein ...
So sollte es sein ...

Und so sieht es aus:

... und so wurde es gemacht
... und so wurde es gemacht

Fällt etwas auf?

Die Kontermutter wurde nicht festgeschraubt. Dadurch kann sich das Gegengewicht nach Herzenslust durch die Bewegung verstellen und die ganze Heizung funktioniert nicht richtig weil der Kaminzug nicht stimmt. Und/oder sie haben es überhaupt erst gar nicht richtig eingestellt, das müssten nämlich 10 Millimeter = mBar sein. Das ist einfach eklatante mangelnde Sorgfalt und leider demonstrieren diejenigen die keinen Ausbildungsplatz bekommen solche eklatanten Schwächen was sie für die Unternehmen einfach untragbar macht. Das sind absolut vermeidbare Fehler die irrsinnig viel Geld kosten können.

Nummer zwei: Konsum deckt nur die Grundbedürfnisse

Jürgen S. beklagt sich darüber dass in einem Artikel über das Konsumverhalten eine "relativ große Gruppe" übersehen wurde, deren Einkommen nur zur Deckung der Grundbedürfnisse reichen würden. Und das hundert Euro bedeuten würde dass man diese mal für einen "Kinobesuch verjubeln" könne um mal wieder "am sozialen Leben teilhaben zu können". Jürgen S. übersieht hier aber auch eine große Teilgruppe seiner relativ großen Gruppe. Ich hatte ja mit solchen Exemplaren zu tun. Thomas D. kam mit seinem Einkommen nicht aus und brauchte ständig Vorschüsse auf seinen Lohn. Bis er uns verlassen hat weil es anscheinend woanders mehr gab ... bis die Lohnpfändung das herausgefunden hat. Was ihn nicht daran gehindert hat, einen nicht unerheblichen Teil seines Einkommens für Zigaretten (und wahrscheinlich auch für Alkohol) auszugeben. Oder für einen reifenmörderischen Fahrstil auf seinem Motorrad. Wir haben ein gesellschaftliches Problem mit diesen Drogen, die eben gerade bei den einkommensschwachen Menschen fatale Folgen haben. Mal abgesehend davon dass es auch nicht gesund ist: hundert Euro sind schneller weg als man gucken kann. Reden wir also nochmal drüber wenn jemand nur Leitungswasser trinkt und nicht raucht, kein Netflix- Sky- DaZn-Abo, ein uraltes Handy und immer noch keine hundert Euro übrig hat.

Nummer drei: Habecks Talkshowauftritt

Die Aussagen des Bundeswirtschaftsministers bei einer Talkshow haben ja weite Wellen geschlagen und auch René P. findet dass das völliger Unsinn ist wenn bei steigenden Kosten Unternehmen "einfach aufhören zu produzieren und nicht automatisch insolvent" würden. Und verbindet das noch mit einem Tiefschlag auf Habecks Ausbildung als Philosoph und Kinderbuchautor.

Dummerweise hat Habeck recht.

Insolvenz bedeutet Zahlungsunfähigkeit, wenn ein Unternehmen seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Das setzt also voraus, dass keine Rücklagen und liquiden Mittel mehr da sind und auch keine Kredite mehr aufgenommen werden können. Nur passiert das nicht von heute auf morgen. Ein gesundes Unternehmen ist ja gewinnorientiert und wenn die Gewinne verantwortungsbewusst verwendet werden baut das Unternehmen Rücklagen auf und schüttet nicht alles an die Besitzer aus. Microsoft schüttet von den 72 Milliarden Gewinn nur 18 Milliarden aus und sitzt deshalb auf einem 166 Milliarden Dollar hohen Berg aus Eigenkapital (es sollte sich also jeder überlegen ob man unbedingt ein Microsoft-Office-Abonnement braucht oder ob es LibreOffice nicht auch tut).

Ein verantwortungsbewusster Unternehmer sollte deshalb auch im Blick haben wie das Unternehmen läuft. Wenn man Verluste einfährt, sollte man sich überlegen woran es liegt, ob sich die Situation im nächsten Jahr verbessert oder nicht. Wenn es nur eine kurzfristige Schieflage ist kann man die mit Rücklagen überbrücken. Aber niemals so lange zusehen bis man überschuldet ist. Die ALNO AG war so ein Beispiel: man hat über Jahrzehnte eigentlich nie Gewinne gemacht sondern immer nur mit neuen Sanierungsversprechen Kapital aufgetrieben um die alten Verbindlichkeiten zu bedienen und die neu entstehenden Verluste zu decken. Bis diese Blase irgendwann geplatzt ist und sich niemand mehr gefunden hat der in dieses bodenlose Loch noch Geld stecken wollte.

Wenn also ein Unternehmen durch die jüngsten Ereignisse in die roten Zahlen stürzt: Ja, dann ist es tatsächlich eine Option, den Geschäftsbetrieb vorübergehend einzustellen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken und damit die Kosten zu minimieren - falls man weitermachen will wenn sich die Lage absehbar wieder bessern wird. Oder aber man wickelt die Firma ab, macht das Eigenkapital zu Geld und die Besitzer gehen glücklich nach Hause. Das ist keine Insolvenz (!!!) - auch wenn es für die Angestellten und den Arbeitsmarkt natürlich nicht gut ist.

Ich verstehe also wirklich nicht warum man auf Herrn Habeck so herumhacken muss wenn seine Aussagen aus BWL 101 stammen.

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