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Ich will kein Unternehmer sein

Jemand hat mir wärmstens "Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer" von Stefan Merath empfohlen. Ich kann darüber jetzt keine Kritik schreiben weil ich das Buch dann nicht gekauft habe, aber vom Klappentext und einer Hörprobe kann ich sagen, dass ich kein Unternehmer werden will. Eines der Hauptthemen in dem Buch scheint zu sein, dass der Selbstständige sich um seine Kernaufgabe und jede Menge anderer Dinge kümmert, dies aber auf Dauer nicht mit dem Wachstum der Firma zum Unternehmen vereinbar ist. Irgendwann soll man dazu übergehen, wie ein Unternehmer zu denken und zu handeln.

Ich glaube mittlerweile sagen zu können, dass es nicht so einfach ist und das man vor allem auch die Persönlichkeit der jeweiligen Person in Betracht ziehen muss. Ich finde jetzt den Link leider nicht mehr, aber irgendwo im Netz kursiert ein Ausschnitt der US-Serie "Shark Tank" wo ein Bilderbuch-INTP auftritt. Der hat etwas tolles erfunden, aber anstelle es zu vermarkten (und vielleicht damit reich zu werden) will er einfach nur weiter erfinden. Für mich gilt mehr oder weniger das Gleiche in einem anderen Zusammenhang. Meine Firma hat jetzt plus/minus 10 Arbeitsstellen (Unternehmerfamilie mitgerechnet). Das dürfte als Unternehmensgröße genau der Sweet Spot zu sein wo ich auf der einen Seite meine Persönlichkeit verwirklichen kann und auf der anderen Seite der Gewinn maximiert wird. Ich bin ja bekanntermaßen ein Jack-of-all-Trades oder Scannerpersönlichkeit oder Polymath oder wie immer man es nennen will. Obwohl es meistens mit P(erceiver)-Typen in Verbindung gebracht wird, kommt das auch bei INTJs vor, die Motivation ist nur eine andere: Meine Neugier, die ja die Grundlage für das Erlernen neuer Fähigkeiten bildet ist in der Regel zweckgebunden. Dazu gibt es ein schönes Zitat von Adam Savage: "Man kann Elektronik lernen indem man sich ein Buch kauft und nach den Lektionen Relais, LEDs und Widerstände zusammenlötet. Man kann sich aber auch gleich ein ganzes Cockpit eines Millenium Falcon nachbauen."

Und weil ich eine Firma habe, ergibt sich der Bedarf der verschiedensten Tätigkeiten und ich kann von mir behaupten so ziemlich alles zu können was an Tätigkeiten anfällt und das meiste davon auch mindestens so gut wie die Leute die ich dafür angestellt habe (Minus der Sachen wo Übung den Meister macht natürlich). Und auch das habe ich mit meinen P-Cousins gemeinsam: Müsste ich den ganzen Tag dieselbe Tätigkeit ausüben und das für immer, würde ich über kurz oder lang wahnsinnig werden. Und genau darauf scheint mir der Tenor des Buches ja hinauszulaufen: Ein Unternehmen braucht keinen Tausendsassa als Chef, sondern einen Unternehmer. So kann ich einen Teil meiner Zeit Unternehmer sein, in einem anderen Einkäufer, dann wieder Verkäufer, dann Monteur, Ingenieur, IT (Systemadministrator und Programmierer) und so weiter. Und auch noch Lagerist und Hausmeister, aber da konnte ich erfolgreich delegieren und muss nicht mehr selbst Rasen mähen, Hecke schneiden und Hof kehren. Über die Vorteile hatte ich schon geschrieben: Dadurch weiß ich eben mehr als alle anderen Leute im Unternehmen und kürzere Entscheidungswege als "ich mit mir selbst" gibt es nicht.

Nur ein paar Beispiele von heute: Kundin ruft an, der Mülleimer ist ausgehangen und geht nicht mehr rein. Ich musste nur nachfragen (Bild schicken) welcher genau das war (der Zeitraum liegt innerhalb eines Generationswechsels) und wusste dann genau um welches Problem es sich handelt. Ein anderer Kunde brauchte neue Gleiter für seine Stühle. Nachdem ich endlich herausfinden konnte um welches Modell es sich handelt ist mir eingefallen, das auch dieses Problem mal vorkam und weil die Ersatzteile vom Hersteller schwer zu bekommen / sehr teuer sind habe ich damals Ersatzgleiter aus Nylon 3D-gedruckt. Und weil man dafür etwas Material braucht habe ich neues bestellt und - da bin ich dann doch wieder etwas P-mäßig - weil der Lieferant wo ich das Taulman Bridge endlich bekommen konnte auch noch andere Filamente hat kommt auch noch eine Rolle ASA mit. Das brauche ich zwar im Moment nicht, aber die Eigenschaften klangen vielversprechend, das könnte man also irgendwann mal brauchen. Die Story, dass man Filamente nicht in der Mikrowelle trocknen sollte und wie man eine teilweise geschmolzene Rolle wiederverwendet indem man die Reststücke zusammenschweißt erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.

Natürlich besteht bei der Sache die Gefahr, dass es einem über den Kopf wächst, man überfordert ist und zusammenbricht. Aber auch dabei spielt die Persönlichkeit eine Rolle. Laut einer Studie haben wohl INTJ mit den niedrigsten Stressfaktor. Das ist jetzt so wie wenn ein Blinder von der Farbe spricht, aber auch wenn ich teilweise richtig viel zu tun hatte, habe ich eigentlich nie so richtig Stresssymptome entwickelt. Ich hatte immer einen Überblick was alles bis wann gemacht werden muss. Zuerst kann ich meine Arbeitszeit bis zu einem gewissen Punkt verlängern (mehr als 90, 100 Stunden die Woche gehen einfach nicht und wenn man müde ist, legt man sich ins Bett, basta.) Und was dann darüber hinaus geht, bleibt einfach liegen. Und wenn das tatsächlich negative Folgen hat dann macht man eben das zuerst was am wichtigsten/teuersten ist. Natürlich gibt es jede Menge Dinge, die man gerne gemacht sehen würde und speziell alle Enneagramm-Einser (Perfektionisten) können davon ein Lied singen. Aber bei den meisten Sachen ist es ja nur der eigene Antrieb diese endlich erledigt zu sehen als eine äußere Notwendigkeit. Müssen tut man eigentlich nichts und das ist ein ungemein beruhigendes Gefühl und der Vorteil ein über lange Zeit erfolgreiches Familienunternehmen weiterzuführen. Rein theoretisch könnte ich alles von jetzt auf gleich hinwerfen und den Laden dichtmachen (das ist der Worst Case, viel billiger wird es den Laden richtig abzuwickeln, also die Aufträge erfüllen und die Ausstellung abzuverkaufen). Dann müsste ich wohl meine Eltern anpumpen, aber wahrscheinlich bräuchte ich nicht mehr zu arbeiten. Nur würde ich das nie tun, das käme ja einer Kapitulation und dem Selbsteingeständnis ein Versager auf der ganzen Linie zu sein gleich. Außerdem hätte ich ja dann keine Firma mehr, die mir die schönen Maschinen kauft mit denen ich so gerne herumspiele.

Außerdem stand ein wirklich gutes Zitat über Reichtum in der ZEIT: "ob man eine Million oder zehn Millionen auf dem Konto hat macht keinen wesentlichen Unterschied, es gibt nicht viel was man sich dann kaufen kann was vorher nicht geht. Einen Unterschied gibt es dann erst bei richtig reich, bei 100 Millionen, das reicht dann für den Privatjet". Die Million habe ich zwar nicht, sollte aber ein realistisches Ziel für den Ruhestand sein, unsereiner bekommt ja keine Rente. Ich muss mir dann nur noch jemanden suchen dem ich den Rest vererben kann, bei meinem Lebensstil sind meine Auslagen wohl kleiner als die Erträge aus einer guten Geldanlage. Oder ich kaufe mir eine Laserschneidanlage, nur so zum Spaß ...

Im Umkehrschluss heißt das dann aber auch, dass es eigentlich keinen Sinn macht Vollzeitunternehmer zu werden wenn man nicht die 100 Millionen damit anpeilt und das dürfte sehr unwahrscheinlich sein. Man hat quasi nichts davon und arbeitet gegen seine eigene Persönlichkeit. Und es ist nicht gesagt dass Größe gleichbedeutend mit mehr Gewinn ist da ja die Ausgaben genauso größer werden. Parker Schnabel holt in Alaska 6.000 Unzen aus dem Boden wo die australischen Serienkollegen bei 100 schon froh wären. Nur möchte ich nicht wissen wie groß alleine die Spritrechnung für die Flotte an Baggern, Kippern und Dozern ist.

Und noch einen kleinen Nachtrag: eben ein Youtube-Video gesehen über INTJs und ihre Inferior Function, Extroverted Sensing. Wenn man das (physischer Stimulus) nicht auslebt scheint sich das schubweise ziemlich ungesund auszuleben, in Drogen, übermäßigem Essen, Sex ... auf der anderen Seite mache ich immer handwerkliche Projekte und insbesondere wenn es einem nicht gut geht ist so ein wenig herumbasteln wirklich entspannend. Also wirkt sich der Tausendsassa-Job auch positiv auf die Psyche aus, da habe ich das schon im Beruf. Wenn man das nicht hat, dann habe ich auch mehr Sport getrieben, das kommt im Endeffekt auf das gleiche hinaus. Eine gesunde Persönlichkeit zeichnet sich wohl wirklich dadurch aus das man keine der Funktionen unterdrückt.

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