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Gefährliche Naivität

Gestern habe ich auf tagesschau24 einen Bericht über das wieder einsetzende Wettrüsten und die Rüstungsindustrie gesehen, dabei spielten die Atomwaffengegner eine wichtige Rolle. Das Problem dabei ist nur, dass deren Standpunkt im besten Fall naiv, im schlimmsten sogar gefährlich ist. Keine Frage, die Welt wäre eine wesentlich sichere wenn es keine Atomwaffen mehr gäbe. Nur ist eine einseitige Abrüstung das schlimmste was man dafür tun kann. Ich werde es nicht mehr erleben, aber vielleicht eliminiert ja die Evolution in den nächsten paar hunderttausend Jahren unsere Primateninstinkte. Um es griffig zu übersetzen: das sind die die für die Todsünden stehen wie Geiz, Gier, Wolllust, Hochmut, Wut und so weiter. Im Moment sind diese aber mehr oder weniger stark in uns allen vorhanden und man muss einfach davon ausgehen, dass der Rivale diese hat, in diesem Fall Putin und Russland und alle anderen Nuklearstaaten auch.

Würde der Westen jetzt einseitig abrüsten wäre es wirklich toll wenn die andere Seite das freudig begrüßt und ebenfalls abrüstet. Nur: wenn auf der anderen Seite auch nur einer ein wenig gierig ist und sich dann vom unbewachten Büffet etwas nehmen will, wie will man das dann verhindern? Die Ukraine kann ein Lied davon singen: Sie hat effektiv keinen atomaren Schutzschirm weil sie nicht der NATO angehört und Putin fand die Ferien-Halbinsel Krim so toll dass er sie sich einfach genommen hat. Und ein paar östliche Provinzen noch dazu. Die Regierung in Kiew konnte rein gar nichts dagegen unternehmen und vom halbherzigen Protest des Westens bekommen sie ihre territoriale Einheit auch nicht wieder zurück. Im Baltikum sieht das anders aus: dort wäre dann der NATO-Bündnisfall fällig und wenn man jetzt nicht darauf spekuliert dass die NATO auseinanderfällt wie ein Kartenhaus würde das im Extremfall einen nuklearen Gegenschlag auslösen.

Man darf nicht vergessen warum die Sowjetunion überhaupt den INF-Vertrag unterzeichnet hat: Nicht weil sie der Meinung war, dass es bereits genug Mittelstreckenraketen in der Welt gibt und die Welt eine schönere ohne sie wäre. Sondern einfach weil der Westen so viele Pershing II mit einer Genauigkeit im Meterbereich stationiert hat das die Russen dem nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Außerdem hat Reagan ja weitreichende Weiterentwicklungen angestoßen wie die Midgetman (mobile kleine Interkontinentalrakete, quasi unmöglich zu orten), das Spartan/Sprint Raketenabwehrsystem, SDI und so weiter. Der Ostblock ist im Prinzip zur Abrüstung gezwungen worden und durch die Gegenseitigkeit blieb das Gleichgewicht ja gewahrt. Leider ging das nicht ohne Gefahr ab denn dadurch wurden die Sowjets extrem nervös, siehe die Ereignisse der frühen 80er Jahre wie Able Archer etc - es gab dazu aber keine Alternative. Ohne diesen zusätzlichen Druck wäre es wohl nie (oder bestenfalls viel, viel später) zum Zusammenbruch des Ostblocks gekommen.

Putin ist ja alles andere als dumm und er weiß genau dass er sich nur durch das weltmachtmäßige Bravado als starken Mann präsentieren kann um an der Macht zu bleiben weil seine Bevölkerung (noch) auf solche Typen steht. Und er sieht auch dass der Westen seit dem kalten Krieg so weit abgerüstet hat dass er mit wenig Aufwand wieder bei den großen Jungs mitspielen kann. Als kleiner Hinweis: Alleine die Bundeswehr hatte mal so an die 4.000 Leopard 2 Panzer, jetzt sind es vielleicht noch hundert und so um die 10 Panzerhaubitzen. Das ist zwar günstig im Unterhalt, aber für den Ernstfall lächerlich wenig bis nix. Gäbe es den nuklearen Schutzschirm nicht, dann würde sich Deutschland sogar der Gefahr eines konventionellen Angriffs durch ein Drittweltland aussetzen, wenn wir denn mit diesem eine Grenze hätten. Mal so als Vergleich: Im ersten Weltkrieg gab es an den Hauptschauplätzen so etwa pro jeden Meter Front ein Geschütz. Selbst an der Grenze zu Luxemburg aufgereiht hätte die Bundeswehr nur jeden Kilometer eine Kanone.

Der berühmt-berüchtigte NATO-Doppelbeschluss war im Prinzip ziemlich clever und genau das muss jetzt wieder passieren: Auf der einen Seite nochmal deutlich nachrüsten um zu zeigen dass man keine fette Weihnachtsgans ist die sich nach dem Schlachter sehnt und auf der anderen Seite erneute Abrüstungsverhandlungen anbieten. Ja, das ganze ist gefährlich, aber in der Menschheit sind immer skrupellose Individuen dabei die nur diese Sprache verstehen und durch ihr Verhalten kommen diese auch überdurchschnittlich oft an die Schaltstellen der Macht. Man sollte es mal probieren, aber eigentlich müssten die Atomwaffengegner auch ihre Türschlösser abgerüstet haben und durch "herzlich Willkommen"-Schilder ersetzt haben, denn dieser Philosophie nach gibt es ja keine bösen Menschen die eine offene Wohnungstür ausnutzen würden ...

Und wenn ich jetzt einfach mal vor mich hin spinne: Mr. Trump würde sich sicherlich nicht so verächtlich über Deutschland äußern, wenn ein deutsches strategisches Raketen-U-Boot in Reichweite Washingtons kreuzen würde. Das wäre mein Vorschlag zu seiner 2%-Forderung: einfach eine Handvoll dieser U-Boote samt Raketen in den USA bestellen. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Er liefert - was ich mir kaum vorstellen kann - oder er liefert nicht und dann kann man immer sagen: "wir wollen ja, aber ihr wollt nicht dass wir wirklich aufrüsten". Das ist auch so eine Art von Abrüstungsvertrag die bisher gut funktioniert hat: Deutschland verzichtet darauf, Großmacht zu sein (das will ja wohl keiner und wenn man das Geld nicht verplempert dann läuft ein prozentualer Betrag bei der Wirtschaftskraft Deutschlands ja darauf hinaus, was soll man denn von der Kohle kaufen?) und bekommt dafür einen Rabatt bei der NATO-Beteiligung. Man sollte dem Meister des Deals diesen bestehenden Deal einfach noch mal in Erinnerung rufen.

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