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Ich hasse menschliche Gesellschaften

Enneagramm ist schon eine interessante Sache. Als Typ Eins bin ich ja ein Perfektionist, aber je älter ich werde, desto mehr schlägt das in den Zyniker um. Das liegt wohl einfach an der Lebenserfahrung, dass die Ideale die man im unschuldigen Alter noch hat in der Realität menschlicher Gesellschaften nicht funktionieren.

Wenn man die Gesellschaftsform des Staates als solches nimmt, dann fällt mir das in Deutschland ständig im Bereich der Justiz auf. Normalerweise sollte diese ja dafür sorgen, dass das gleiche Recht für alle gilt. Das ist aber Quatsch. Man muss beim Bundesgerichtshof in der Regel das Anwaltshonorar aufstocken damit überhaupt jemand was macht, also kommt man arm erst gar nicht so weit. Und dann ist es so, dass es dieses große ungeschriebene Gesetz gibt nachdem der einzelne zwar regelmäßig zur Verantwortung gezogen wird, die Gesellschaftsorganisation hingegen nicht. Eben wieder ein Beispiel dafür gefunden: Es gibt in der StVO die Vorschrift, dass man auf "schmalen Straßen" nicht gegenüber einer Grundstückseinfahrt parken darf. Eine solche Vorschrift hat nun zwei Seiten: Auf der einen Seite kann der einzelne von der Gesellschaft bestraft werden wenn er dagegen verstößt. Auf der anderen Seite wäre theoretisch die Gesellschaft aber auch verpflichtet, diese Vorschrift durchzusetzen. Tja, das hat jemand zuletzt versucht und hat versucht, auf der gegenüberliegenden Seite einer 5,50 Meter breiten Straße ein Parkverbot einzuklagen und ist durch alle Instanzen gescheitert. Die Zwischeninstanz erklärte mal gerade die Vorschrift als solches als unwirksam weil nicht konkret genug um die Klage abzuwesen, das Bundesverwaltungsgericht nahm das zwar wieder zurück aber wies die Klage trotzdem ab weil der Kläger ja mit dreimaligem Rangieren doch in seine Einfahrt kam und weil er für die Form seiner Einfahrt selbst verantwortlich sei. Übrigens macht dann die ganze Vorschrift praktisch keinen Sinn mehr weil sie dann nur für Straßen zwischen 4,80 und 5,50 Meter Breite gilt. Darunter dürfte man nämlich sowieso nicht am Straßenrand parken weil das dann als Engstelle gilt. Wenn ich aber wetten dürfte: Finde ich ein Knöllchen wegen dieser Vorschrift an meiner Windschutzscheibe und klage dagegen, wird diese Klage genauso abgewiesen ...

Es ist einfach total assymmetrisch: Versucht man gegen die Gesellschaft sein Recht durchzusetzen, scheitert man, und die Urteile lauten immer: "Im Prinzip hast du ja Recht, aber ..." Beispiele gibt es genug: Recht auf Kindergartenplatz? Im Prinzip ja ... aber das berechtigt dich zu nix. Und und und ... mir wird jedesmal schlecht wenn ich wieder ein solches Beispiel höre. Ging mir ja auch so, als ich idealistischerweise dachte, auf dem Rechtsweg eine EU-Richtlinie geraderücken zu können. Es gibt den Fall Brasserie Pecheur der als Präzedenzfall dient und wo der EuGH das Recht des Einzelnen auf Schadenersatz gegen den Staat festgeschrieben hat. Man braucht nicht viel zu raten: Im Prinzip hatten die einen Anspruch, das Endurteil des BGH hatte dann aber ein "aber" drin. Und bei mir hat man die Verantwortung schnell mal auf die EU verschoben (was 100% im Widerspruch zu einem EuGH-Urteil stand), Revision zugelassen um nicht vorlegen zu müssen und die Revision wurde dann vom BGH-Anwalt eingestampft. Elegante Lösung, Status Quo gewahrt.

Im Moment werden die Menschen in Europa ja auch von einer Hitzwelle weichgekocht, der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen. Passenderweise findet zeitgleich der G20-Gipfel statt. Und da - oh Wunder - kann man sich nicht einigen. Wie ein AfD-Mann so schön sagt: Klimaschutz ist ja im Prinzip richtig, aber nicht wenn es dazu führt dass die Mieten steigen. Jetzt jährt sich ja der Versailler Vertrag und das war auch so ein Paradebeispiel: Man verhandelt nur einseitig, zwingt die Unterlegenen den Wisch zu unterschreiben und wundert sich dann dass es keine zwanzig Jahre dauert bis die Waffen wieder sprechen.

Tja, ich kann das ja alles schön hier schreiben, lesen wird es wohl niemand. Warum aber die Vandalen meinen, sie müssten mich täglich mit irgendwelchen Spambots vollmüllen obwohl ich von diesen Kommentaren nie einen genehmigen werde - schleierhaft. Ich habe ja auch OpenSource-Programmierprojekte. Da habe ich eine Anfrage bekommen, ob ich nicht etwas für ein spezielles Gewinde machen könnte. Man versprach mir auch, ich müsste es nicht umsonst machen. 50 Stunden später und nachdem mich der Typ mit Dutzenden Emails dauernd irgendetwas gefragt hat ist er in der Versenkung verschwunden, obwohl ich geliefert habe. Ich habe keinen Vertrag und wollte auch keine konkrete Summe, aber nix ist nicht toll.

Für mich deutet das alles darauf hin, dass sich menschliche Gesellschaften einfach nicht so organisieren können damit sie das Richtige machen, was die selbstgesetzten Standards von Recht und Gerechtigkeit erfüllt und für die Allgemeinheit die beste Lösung ist. Es . funktioniert . nicht. Als Diktatur der Mehrheit (aka Demokratie) nicht, und als Autokratie auch nicht denn man kann die Proteste einer Minderheit ja auch nicht einfach dauerhaft unterdrücken. So sehr es mir auch zuwider ist: Die Handlungsanweisung für den Einzelnen kann deshalb nur sein: Sei so egoistisch wie möglich denn du bekommst sowieso nichts zurück, dann kannst du es dir auch leisten ab und zu mal Federn zu lassen wenn du in der schwächeren Position bist.

Menschheit: Überzeuge mich davon, dass das bitte nicht wahr ist!

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