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Selbstbetrug

Die neue Bundesregierung ist jetzt im Amt und die Ziele, die sich die Koalition auf die Fahne geschrieben hat zeigen ganz deutlich, wie weit weg von der Realität Politik sein kann. Aber zuallererst hat mich gestört, dass sich Olaf Scholz so gefreut hat dass er endlich Bundeskanzler werden kann, genauso wie Armin Laschet es so sehr bedauert hat, jetzt nicht "da oben" stehen zu können. Jeder vernünftige Mensch würde so ein Amt, bei dem von vornherein klar ist dass man die gesetzten Ziele nicht erreichen kann gar nicht erst antreten sondern schreiend weglaufen. Vielleicht sollte man das wirklich einführen, dass die Politiker wirklich persönlich haftbar sind für das was sie da fabrizieren. Auch die Zusammensetzung des Bundeskabinetts ist fachlich totaler Schwachsinn, von ein paar Ausnahmen mal abgesehen. Karl Lauterbach dürfte so ziemlich der Einzige sein der wirklich Ahnung von seinem Resort hat, der Rest ist politischer Proporz und Postengeschachere in Reinform.

Primärenergieverbrauch nach Sektoren
Primärenergieverbrauch nach Sektoren

Im Speziellen geht es mir um den Dreifachausstieg: Aus der Atomkraft (die letzten sechs deutschen Atomkraftwerke werden zum Ende des Jahres abgeschaltet), aus der Kohle und aus dem Verbrennungsmotor. Beides bis 2030, also innerhalb von acht Jahren.

Das ist beste destruktive "Nein"-Politik und dazu passt dieser Leserbrief eines Atomkraftgegners wunderbar dazu:

Leserbrief im Trierischen Volksfreund vom 11.12.2021
Leserbrief im Trierischen Volksfreund vom 11.12.2021

Es ist so einfach zu sagen was man alles nicht will. Aber die Welt funktioniert so einfach nicht, Lösungen sind das was funktioniert, ob man es nun mag oder nicht. Das Umweltbundesamt ist so freundlich und stellt die aktuellen Zahlen online und wenn man das mal nachrechnet dann muss man wahrlich kein Prophet sein um zu erkennen, das der Leserbriefschreiber in seiner eigenen Märchenwelt lebt wenn er nicht nur fordert die Energiewende fest im Bewusstsein der Deutschen zu verankern und auch noch zu exportieren. Es ist ja schließlich kein Wunder warum Deutschland das einzige Land der Welt ist was so einen Schwachsinn macht.

Die sechs AKW-Blöcke haben eine Nennleistung von 8,5 GW und haben im Laufe eines Jahres 64 TWh Strom produziert, das entspricht einer Verfügbarkeit von 85%. Wenn man diese jetzt abschaltet und durch regenerative Energien ersetzt, dann braucht man dafür aber deutlich mehr als die gleiche installierte Leistung. Wenn man das mal durchrechnet, dann wird auch klar warum Nord Stream 2 kommen wird und wir eine weitere Marionette von Vladimir Putin werden weil wir dann einfach am Tropf des russischen Erdgases hängen. Die Crux ist nämlich die Diskrepanz zwischen installierter regenerativer Leistung und tatsächlich produzierter Energie. Die 132 GW hören sich ja enorm an, die damit erzeugten 257 TWh bedeuten aber gleichzeitig, dass die Verfügbarkeit nur bei mickrigen 22% liegt. Dadurch ergeben sich gleich zwei gravierende Probleme: Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, dann wird viel zu viel Strom produziert und wir müssen sogar noch dafür bezahlen dass den jemand abnimmt. Oder eben die Anlagen abschalten. Im umgekehrten Fall bekommen wir das was offiziell keiner will, aber laut den Zahlen eben Realität ist: Der Strom kommt entweder aus russischem Erdgas (die Leistung der Gaskraftwerke ist parallel zu dem Ausbau der Erneuerbaren auf 27 GW gestiegen weil diese eine schnelle Reaktionszeit haben, weitere 6 GW sind in Genehmigung oder in Bau) oder wird als Atomstrom aus dem Ausland importiert, für teures Geld.

Der Leserbriefschreiber schreibt stolz von den Speichertechnologien, die kommen werden. Ja, wir haben in Deutschland aktuell Pumpspeicherkraftwerke mit 7 GW Leistung, das klingt nach viel. Das Problem ist nur, dass die bei dieser Leistung innerhalb von fünf Stunden und 42 Minuten leer sind, die Kapazität liegt nur bei 0,04 TWh. Bei einem Verbrauch (ohne den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor) von täglich 1,6 TWh müsste man aber irrsinnig mehr solcher Kraftwerke haben um ein paar "leise rieselt der Schnee"-Tage überbrücken zu können. Bei mir in der Nähe liegt das Pumpspeicherkraftwerk von Vianden. Und wenn man sich das ansieht ist klar, dass man so viele Kraftwerke dieser Art gar nicht bauen kann. Zum einen der Flächenverbrauch (Landschaftszerstörung) für die zwei Stauseen (oben und unten) und die 300 Meter Höhendifferenz findet man auch nur an sehr wenigen Stellen in Deutschland. Würde man das Land jetzt mit Kraftwerken vollpflastern wollen finden sich todsicher sehr, sehr viele Menschen die - dreimal darf man raten - dagegen sind, so ein Ding vor ihrer Haustüre zu haben. Und weil die Atomkraftwerke ja immer die Atomtoten zitieren, zitiere ich jetzt mal die Staudammtoten, das sind auch jede Menge. Abgesehen von den Pumpspeicherkraftwerken sind wir dann genau da wo wir - nächstes Gegenargument der AKW-Gegner - bei den Thorium-Flüssigsalz- oder Small Modular Reactors auch sind: In den nächsten Jahren nicht marktreif.

Dann habe ich jetzt etwas gehört was in die Rubrik "Fake News" oder Tratsch gehören kann, nachprüfen kann ich es nicht. Es wirft aber eine deutliche Frage auf. Um die AKWs zu ersetzen, braucht man bei der bisherigen Verfügbarkeit 2.200 große Offshore-Windkraftanlagen mit je 15 Megawatt. Die bestehen bekanntermaßen zu einem großen Teil aus Faserverbundwerkstoffen. Und der Tratsch besagt, dass bei einer örtlichen Fabrik die Kunststofftanks herstellt die Beschäftigten nicht besonders alt werden, nur ein paar Jahre nach der Verrentung oder sogar noch vorher sterben. Ob da was dran ist? Ist nicht nachprüfbar, aber gesund ist das Zeug sicherlich nicht und es stinkt ziemlich gewaltig um die Fabrik herum. In die Bilanz muss man also deshalb sowohl die Opfer in der Herstellung als auch die Entsorgungskosten mit einrechnen, denn Faserverbundwerkstoffe kann man nur noch verbrennen und dabei entsteht auch noch allerlei giftiges Zeugs. So "grün" ist diese Technologie also wirklich nur auf der Vorderseite. Im Gegensatz dazu ist der "schmutzige" Abriss eines Kernkraftwerks gar nicht so schmutzig. Wenn die Brennstäbe raus sind, dann ist auch der Mammutanteil des radioaktiven Inventars weg. Selbst den Druckbehälter kann man bedenkenlos verschrotten wenn man die dünne kontaminierte Schicht auf der Innenseite entfernt.

Wir haben ja noch Ausstieg zwei, die Kohle, bisher 38 GW installierte Leistung für 145 TWh, bei der bisherigen Verfügbarkeit sind das 75 GW erneuerbare Kraftwerke, zusätzlich 5.000 Anlagen.

Und was ist das jetzt, wenn man zusätzlich zu dieser Problematik noch den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor propagiert, ebenfalls bis 2030? Das sind auf einen Schlag noch mal 758 TWh oder 86 GW die zusätzlich an Strom produziert und verteilt werden müssen, und das auch nicht gleichmäßig über den Tag sondern hauptsächlich wenn die Autos abends nach Hause kommen. Wegen der Verfügbarkeit kann man also mit 390 installierten GW rechnen, das sind nochmal 26.000 Anlagen, zusammen 33.000. Ja, das ist theoretisch möglich wenn wir 10.000 Quadratkilometer mit Offshore-Windkraft vollpflastern, alle 500 Meter eine Anlage und das auf hundert Kilometern im Quadrat. Das ist ein Drittel (!) unserer auschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee. Und zum Ausgleich dann nochmal 80 GW in Gaskraftwerken (!). Und wir machen uns abhängig nicht nur von Putin, sondern auch noch von China denn ohne Seltene Erden dreht sich kein Elektromotor und ohne Lithium keine Batterie.

Vielleicht habe ich ja einen Denkfehler drin, aber wenn man 80 GW Ausgleichs-Gaskraftwerke braucht um 86 GW zusätzlichen Strom für die Abschaffung des Verbrennungsmotors zu erzeugen, dann machte doch die Energiewende im bisherigen Muster doch irgendwie keinen Sinn?! Und diese Errungenschaft müssen wir verteidigen? Und bei den Zahlen des Umweltbundesamtes sind die neuesten Meldungen für 2021 noch gar nicht mit drin: Die Kohle hat die Erneuerbaren wieder bei der Stromproduktion überholt, weil das Frühjahr eben "windarm" war. Und wenn das UBA schreibt, dass der Stromexport in TWh so schön gestiegen ist kommt die brutale INTJ-Skepsis durch: Die wirkliche Frage ist, ob man überhaupt dafür was bekommen hat oder wie bei den Schrotthändlern froh sein musste, dass den Strom überhaupt jemand abgenommen hat.

Ob die neue Regierung da die Kurve kriegt, zeigt sich in den nächsten Monaten. Im Koalitionsvertrag ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft beschrieben, das wäre ein Ausweg und würde aber gleichzeitig bedeuten, den Verbrennungsmotor durch die Brennstoffzelle zu ersetzen, nicht das Akkumulatorfahrzeug. Wegen des miesen Wirkungsgrads macht es nämlich keinen Sinn hier zweimal umzuwandeln, in synthetische Kraftstoffe schon dreimal nicht. Außerdem müssen Elektrolyseanlagen mit hundert GW Äquivalentleistung praktisch sofort in Entwicklung, Planung und Genehmigung gehen, genauso wie Großspeicher, bei denen die Herausforderung darin liegt dass Wasserstoff unkomprimiert nur eine sehr niedrige Energiedichte hat oder komprimiert wird was nochmal 1/3 der Energie verschlingt und man jetzt eine -253°C kalte Flüssigkeit hat die noch immer nur 1/3 der Energiedichte von Benzin hat. Von dem Explosionsrisiko reden wir erst mal nicht, ab 4% Volumenanteil ist eine Luft-Wasserstoffmischung hochexplosiv.

Und der Wirkungsgrad ist auch daran schuld, dass wir die Effizienz der erneuerbaren Energien mit dieser Wasserstofftechnik zwar von den 22% etwas anheben können, bei ca. 50% Verlust durch die Umwandlungen aber eben niemals über diese 50%.

Schon die vorherige Bundesregierung hat Forschungsprojekte mit über einer Milliarde Euro für Wasserstoffanlagen ausgestattet, da fragt man sich wirklich warum für die Atomkraftwerke der vierten Generation kein Forschungsgeld da ist. Mit Solar und Wind muss man im Prinzip viermal bauen: Einmal das Primärkraftwerk, dann die Elektrolyseanlage, den Speicher und zum Schluss das Wasserstoffkraftwerk. Da kann mir doch niemand erzählen, dass es nicht viel einfacher, billiger und mit viel weniger Ressourcenverbrauch (und damit ökologischem Fußabdruck) mit dem einmaligen Bau von Atomkraftwerken getan wäre? Wir müssen die Kraftwerke sowieso alle bauen, um den absurden Zeitplan des Dreifachausstiegs bis 2030 einzuhalten ginge es viel schneller den Weg zu wählen wo man mit einem Bruchteil des Aufwands vorankommt. Es hat schlichtweg niemand diese leicht verfügbaren Zahlen mal durchgerechnet, von den Atomkraftgegnern schon dreimal niemand. Und bei der ganzen Rechnung habe ich nur den Verkehr und Strom berücksichtigt, sowohl die Industrie, die Privathaushalte und Handel und Gewerbe erzeugen zusätzlich nochmal 962 TWh aus fossilen Brennstoffen pro Jahr, 58% der Haushalte heizen entweder mit Öl oder Gas. Ich lehne mit jetzt einfach mal aus dem Fenster und behaupte, dass die chinesische Idee, mit den SMRs in die Nähe der Städte zu gehen und die dann direkt mit Fernwärme zu versorgen eine sehr, sehr clevere ist, schon alleine weil man den Wirkungsgrad nochmal verbessern kann weil man Heizwärme ja nicht erst in Strom und wieder zurück umwandeln muss und man sowieso eine Wärmesenke für die Dampfturbinen braucht.

Es ist einfach Selbstbetrug, wenn man glaubt das mit so einfachen politischen Parolen hinzubekommen und einfach den Neinsagern zunickt und macht was die wollen. Das Problem ist einfach die Zusammensetzung der Menschheit nach Intelligenz, Persönlichkeitstypen und anderen Faktoren. Entweder wir haben Autokratien oder Diktaturen bei denen rücksichtslose Individuen mit entsprechender Unterstützung von Stiefelleckern die Macht an sich reißen. Oder wir haben Demokratien - ich bin die Tage wieder durch eine Verbandsgemeinde gefahren wo Bürgermeisterwahlen anstehen - wo die Menschen mit dem besten Wahlplakatgrinsen gewählt werden, völlig unabhängig davon ob die den Job können oder nicht, das steht auf den Wahlplakaten nämlich nicht drauf und interessiert deshalb auch wohl keinen.

Es ist nur ein reines Gedankenexperiment: wenn man die Welt kopieren könnte und eine Parallelwelt erschaffen würde die von den jeweils besten Menschen ihres Faches regiert wird mit dem simplen Ziel, die jeweils Beste und Gerechteste Lösung zum Wohl der gesamten Menschheit zu wählen und bei dem sich die Regierten mit den Entscheidungen abfinden, so unpopulär sie auch sein mögen. Noch schneller ginge es wenn man nur die Menschen nähme die die Weitsicht und Intelligenz haben bei dem Experiment freiwillig für dieses Ziel auf ihren Willen verzichten. Dann bin ich mir sicher, welche der Welten in hundert oder zweihundert Jahren viel besser dasteht. Wenn es die Realwelt in der jetzigen Form dann überhaupt noch gibt.

Es gab noch einen zweiten Leserbrief der Anlass für diesen Artikel war, der hatte aber einen Unfall und ist nicht mehr leserlich. Dabei hat der Autor die Landesregierung heftig für den "Quasi-Lockdown" (2G Plus-Regelung) angegriffen. Hätte man von Anfang an das gemacht was sinnvoll gewesen wäre, dann müsste man die Diskussion gar nicht erst haben. Die Regierung hat doch im Moment gar keine andere Wahl als diese Beschränkungen einzuführen, sonst macht man sich für unzählige vermeidbare Todesfälle verantwortlich. Die Alternative ist einfach: Wer nicht geimpft ist, bekommt kein Intensivbett bzw. wenn man eines belegt und es kommt ein infizierter geimpfter rein, dann wird man auf den Flur gestellt. Oder man hätte gleich als man den Knick im Impffortschritt gesehen hat die Impfpflicht beschließen müssen, basta. Es ist mir absolut schleierhaft, warum Politiker aller Parteien in bester Neinsagermanier diese immer kategorisch ausgeschlossen haben, genauso wie einen neuen Lockdown. In Abwandlung eines Sprichworts muss es eigentlich heißen: Wer "nicht A" sagt, muss "B" sagen. Also "keine Impfpflicht" -> entweder Lockdown oder ungeimpfte sterben lassen. Oder "kein Lockdown" -> Impfpflicht oder zusätzliche Tote. Und beide Lösungen sind objektiv schlechter weil die Ungeimpften, Kontaktfreudigen etc. ja auch noch Unschuldige anstecken.

Überall in der Wissenschaft gibt es Modellrechnungen, Simulationen und mathematische Beschreibung von komplexen Systemen, gefolgt von Experimenten um deren Gültigkeit mit der Realität zu verifizieren. In der Politik spielt das keine Rolle: wenn genug Menschen wollen, dass der Apfel nicht herunterfällt dann wird halt beschlossen dass die Gravitation in diesem Fall halt ausgeschlossen ist. Das ganze hat irgendwas von einer kollektiven Wahnvorstellung, wo man sich eine Welt zusammenmalt unabhängig davon ob das Produkt den Kontakt mit der Realität überlebt oder eben nicht.

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