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Käsiges Hirngespinst

Der Sommerhit des Jahres ist sicherlich die "kulturelle Aneignung". Das es also verwerflich ist, wenn man sich als Nicht-Mitglied einer Gruppe deren Kultur bedient. Ich frage mich nur gerade eben, wer auf solchen Blödsinn kommt, das ist ja eine Mischung aus völligem Käse und einem Hirngespinst. Wahrscheinlich sind das die gleichen Leute, die so eine irrsinnige Angst haben dass ihnen ihre Daten gestohlen werden und dass selbst von einem anonymen Cookie eine Gefahr ausgeht und so weiter - deshalb muss man ja jetzt auf jeder Internetseite erst mal mit dem Cookie-Disclaimer fertig werden. Wahrscheinlich haben diese Leute nach dem gleichen Prinzip auch eine irrsinnige Angst davor, dass ihnen ihre Kultur gestohlen wird.

Das Problem an der Sache ist halt nur das, dass es im Laufe der letzten paar Tausend Jahre es immer wieder Kulturtransfers gegeben hat und das etwas ganz normales ist. Es gäbe diesen Blog nicht, wenn nicht 1700 vor Christus sich kanaanitische Wanderarbeiter und agyptische Arbeiter im Sinai getroffen hätten und sich die ersteren an den Wortzeichen der zweiten bedient hätten um das erste Alphabet zu erschaffen. Ja, selbst unsere Schrift als wohl grundsätzliches Kulturgut sind geklaute ägyptische Hieroglyphen.

Wahrscheinlich hat das mit Konservatismus zu tun, dass man seine eigene Kultur beschützen und bewahren will und weil man selbst Angst vor einem Kulturdiebstahl hat prangert man diesen an? Nur gäbe es halt überhaupt nichts zu beschützen wenn es diese Transfers nie gegeben hätte, die ganze Entwicklung unserer Kultur basiert auf der Verbreitung und Vermischung solcher Ideen.

Nächstes Bespiel: Rockmusik. Bisher ist das wohl noch niemandem aufgefallen aber mann muss auch deutsche Rockmusiker der "kulturellen Aneignung" bezichtigen und das gleich mehrfach. Selbst wenn wir jetzt nur die neuere Geschichte berücksichtigen: Es waren weiße US-Musiker, die Elemente der Musik der schwarzen US-Amerikaner geklaut haben um die Rockmusik zu erfinden. Und dann haben die Europäer wiederum diese Musikkultur bei den Amerikanern geklaut, ja einfach nachgemacht. Bis dann die Europäer das so weit weiterentwickelt hatten dass daraus der Beat wurde der wiederum in Gegenrichtung geschwappt ist.

Es ist also überhaupt nichts verwerfliches, wenn sich weiße Musiker der karibischen Reggae-Kultur bedienen und diese adaptieren, selbst wenn die das nur zu 100% nachmachen würden und nicht mit ihrer eigenen Kultur vermischen würden was unausweichlich passiert, denn 100% nachmachen geht einfach nicht. Der Reggae selbst ist ja sozusagen Kontrabande, entstanden als Jamaikaner nicht nur einen, sondern eine ganze Reihe westlicher Musikstile geklaut und vermischt haben. Darunter auch die Soul-Musik, die wiederum die Antwort der schwarzen Amerikaner auf die Rockmusik war als diese "weiße" Rockmusik wieder in die schwarze Kultur zurückimportiert wurde.

Als gäbe es so etwas wie ein Copyright auf kulturelle Erfindungen. Ein wichtiger Bestandteil des Copyrights sind eben seine Grenzen, dass es nur das spezielle Werk eines Autors schützt, aber Bearbeitungen als eigenständige Werke eben ausdrücklich zulässt - sonst gäbe es eben überhaupt keine Weiterentwicklung. Wer das nicht will muss eine Geheimkultur schaffen, die gab es auch immer und sind weitgehend vergessen und immer wieder vom Aussterben bedroht wenn der Nachschub an Initianden nachlässt weil Kulturimporte erfolgreicher sind als das geheime, eigene kulturelle Erbe. Ein prominentes Beispiel aus dem europäischen Kulturkreis sind die keltischen Druiden: Was wir über deren Kultur noch wissen, stammt allesamt von außenstehenden römischen Beobachtern. Das Wissen, die Kultur der Druiden wurde nur mündlich von Druide zu Druide weitergeben. Mit dem Ableben des letzten Druiden war auch diese Kultur unwiederbringlich verloren. Niemand weiß, was diese genau gemacht haben, diese Kultur ist WEG.

Nein, das Problem der Kultur der indigenen Bevölkerung Amerikas ist nicht Karl May und dass deutsche Kinder gerne Indianer spielen. Das Problem ist vielmehr, dass diese Kultur gefährdet ist weil sie immer mal wieder verboten und unterdrückt wurde, es versucht wurde diesen Kulturkreis zu zwangsassimilieren. Es gibt schlichtweg keine Nordamerikanischen Ureinwohner mehr die noch so leben wie vor Christoph Kolumbus. Eskimos bauen Iglus nur noch wenn Sie Urlaub haben und mit dem Motorschlitten einen Ausflug machen.

Dieser Blog wäre nicht dieser Blog wenn ich jetzt nicht überlegen würde woher dieses Sommer-Hirngespinst kommt. Es sind also entweder die SJ-Konservativen die Angst haben selbst beklaut zu werden oder jene linken Aktivisten die glauben alles beschützen zu müssen und weil ihr Baum im Stadtpark verdorrt ist suchen sie sich eben etwas anderes und das Interesse am Gendern hat im Moment gerade mal nachgelassen. Keine Ahnung welcher Persönlichkeitstyp man dafür sein muss.

Und weil ich gerade dabei bin: Ich habe oben ausdrücklich "Eskimo" geschrieben. Und die Rockmusik hieß in Deutschland tatsächlich mal "Negermusik" und ich finde, dass der Begriff "Neger" als solcher neutral ist. Hey, ich bin ein Nerd und in gewisser Weise auch stolz drauf. Problematisch werden solche Begriffe nur wenn sie instrumentalisiert und abwertend, als Schimpfworte wiederum von einer Gruppe benutzt werden und man sich durch die Verwendung eines solchen Begriffs mit dieser Gruppe und ihren Werten identifiziert. Nur macht eben die ständige kulturelle Vermischung eine eindeutige Abgrenzung unmöglich. Meint man, dass man den NS-Wortschatz aus dem Sprachgebrauch verbannt hat? Gut, "Endlösung" benutzt keiner mehr, aber "Laster" wird immer noch benutzt und niemand denkt sich was dabei. Im Umkehrschluss kann das ja nur bedeuten dass die bloße Verwendung eines Begriffes an sich nicht verwerflich ist. Das Problem sind dann eben nur die anderen Menschen die diesen als Schimpfwort verwenden und damit bürdet sich der Sprecher die Last auf, sich ständig von diesen distanzieren zu müssen. Deshalb ist es schlichtweg einfacher diese Begriffe zu vermeiden. Dieser Logik folgend kann man ruhig "Neger" sagen: Die Zahl der Menschen die diesen Begriff ausdrücklich als Schimpfwort verwenden ist einfach verschwindend gering geworden und das ist nun einmal das deutsche Substantiv für einen "Menschen, dessen Genpool zentralafrikanisch dominiert ist". Jeden Begriff, der irgendwann irgendwo mal als Schimpfwort verwendet wurde nur deshalb aus dem Wortschatz zu verbannen funktioniert einfach nicht.

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