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Totales Politisches Bürokratie-Systemversagen

Wenn tausende Leute an einem System arbeiten und es keine wirkliche Kontrollstruktur gibt mit Menschen die sich mit allen wichtigen Gesichtspunkten des Systems auskennen (die geschmähten Tausendsassas), dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch dass es zu einem kollektiven Versagen kommt. So gerade geschehen im Fall der Umstellung der EU-Energielabel für Kühlschränke und Geschirrspüler, von alt zu neu:

altes und neues Energielabel für Geschirrspüler
altes und neues Energielabel für Geschirrspüler

Im Prinzip ist die Idee dahinter ja gut, seit der Einführung der Label vor über 20 Jahren unterscheiden sich die Kühlschränke ja nur noch in der Anzahl der "+" hinter dem "A", was es nicht verständlicher macht. Nur die Umsetzung ... das passiert wenn Schreibtischtäter ohne zentrale Kontrolle an so etwas herumwerkeln. Irgendjemand hatte die glorreiche Idee, dass die Umstellung in den Geschäften innerhalb von 14 Tagen erfolgen muss. Derjenige, auf dessen Mist das gewachsen ist war aber wohl nie hinter der Ladentheke eines Geschäftes. Das ist ja nicht so wie bei Brötchen wo es keine Ware gibt die älter als zwei Tage ist. Sondern in den Ausstellungen und Lagern schlummern noch Restposten die teilweise bis zu 10 Jahre alt sein können. Das ist zwar die Ausnahme, aber die Richtlinie macht eben dafür keine Ausnahmen.

Mitteilungen seitens der Hersteller zwecks der Umstellung gab es in unterschiedlicher Zahl, von sechs Mails bis zu null. Die Frage ist dann, wenn die Stunde null gekommen ist, was dann funktioniert: fast nichts. Miele gibt zum Beispiel drei Wege an wie man an die neuen Label kommen kann. Weg eins für die aktuellen Geräte über die öffentliche Homepage: Fehlanzeige. Dort findet sich nach Ablauf der Hälfte der Umstellungsfrist nur das Datenblatt, aber kein Label. Weg zwei ist im nur für Händler zugänglichen Extranet. Aber unter dem Menüpunkt Downloads ist zumindest mit meinem Zugang eben kein Unterpunkt "Energielabel" zu finden. Und Nummer drei ... mit dem Link kommt man auf eine Seite, aber keine Ahnung welcher Vollidiot das programmiert hat. Miele verwendet durchweg seine Typnummern zur Identifikation, aber diese Seite will die Materialnummer oder die EAN, und keines von beidem findet man auf dem Typenschild. In einem älteren Katalog findet man eine kleingedruckte Materialnummer, aber wenn man diese eingibt kommt nur die Meldung "bitte versuchen Sie es später noch einmal":

Downloadseite Miele Energielabel
Downloadseite Miele Energielabel

Ich kann mir ja denken wie der ganze Mist zustandegekommen ist: Da haben politische Beamte von verschiedenen Ländern und Institutionen die Richtlinie ausgehandelt und keiner hat dabei darauf geschaut wie das praktisch umzusetzen ist. Eben diese typische Blindheit die sich daraus ergibt dass der Standardmensch nur das überblickt was seine unmittelbare Aufgabe ist. Das es vor den zwei Wochen verboten ist das neue Label zu benutzen und nachher das alte ist ja irgendwie noch politisch nachvollziehbar, in der praktischen Umsetzung ist es aber eine Katastrophe. Die Katastrophe geht ja so weit, dass man auf dem neuen Label einen QR-Code platziert hat, der auf den Eintrag in der EPREL Datenbank der EU-Kommission führt wo "Zwecks besserer Überschaubarkeit des Marktes" alle Geräte hinterlegt werden müssen. Praktisch ist der Code so klein dass man einen guten Makromodus am Handy braucht um den Code zu scannen und jetzt wo wir den 7. März haben ... führt der Code nirgendwohin:

QR-Link zur EPREL-Datenbank
QR-Link zur EPREL-Datenbank

Der große Witz an der Sache ist halt der, dass nicht nur die Industrie und die Händler überfordert sind die Richtlinie in der kurzen Frist umzusetzen sondern es auch die Programmierer der EU-Kommission nicht geschafft haben, die Datenbank zum Stichtag überhaupt funktionsfähig zu machen. Theoretisch sollte man alle Geräte dort nachschlagen können, praktisch funktioniert das noch überhaupt nicht: "Coming soon". Und weil man für ein "echtes" Label ja diesen Link zur Datenbank braucht kann man sich die Label auch nicht einfach selbst erstellen.

Denn da gibt es noch so eine Schwachsinns-Regelung: Alle älteren Geräte (also von 2019 und älter) für die es kein Label gibt, dürfen nur noch bis zum 30.11.2021 verkauft werden (Rechnungsdatum). In der Praxis haben wir ja Küchen mit Geräten, die im Extremfall schon seit 2009 bei uns am Lager stehen. Und es gibt einen Bodensatz an Geräten die irgendwo übrig geblieben sind und sich auch nur sehr zäh abverkaufen lassen. Da gibt es eine politische Diskussion was mit den Rückläufern aus dem Onlineshopping passieren soll ("Oh, die neuen Sachen werden doch nicht etwa weggeworfen, was für ein ökologisches Verbrechen!"), und jetzt müsste man tonnenweise noch praktisch neue, originalverpackte Geräte deshalb wegwerfen nur weil sie im Kommissionsgeschäft oder beim Musterküchenabverkauf zwischendurch mal übriggeblieben sind? Legal kann ich die mir nur selbst vor dem Stichtag als Privatperson verkaufen und dann muss ich die Dinger dann versuchen privat loszuwerden was das Ganze noch schwieriger macht.

Das wirklich Schlimme an der ganzen Sache dürfte dann sein, dass zwar so ziemlich alle anderen Beteiligten Institutionen die Umsetzung nicht rechtzeitig hinbekommen. Ich wette aber, dass die Deutsche Umwelthilfe pünktlich am 15. März ihre Häscher losschickt um Abmahnungen wegen der Nichtumsetzung der Vorschriften zu verschicken. Und die Justiz wird den Buchstaben des Gesetzes folgen und denen sogar noch Recht geben.

Je mehr Menschen an so einer Sache beteiligt sind, deso mehr Mist regnet es vom Himmel. Und am Ende führt das dazu, dass es praktisch unmöglich ist nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen. Theoretisch sollten ja alle Gesetze in sich konsistent sein, praktisch gibt es so viele Widersprüche und die Justiz beschränkt sich darauf nur mit der Lupe eine einzelne Fragestellung zu überprüfen weil das Gesamtbild so widersprüchlich ist dass die Detailfrage irrelevant werden würde. Ich hatte das ja schon. Europäisches Recht sagt, dass es nur legal ist im Land X eine Abgabe zu zahlen wenn meine im Land Y entrichtete Abgabe zurückerstattet wird. Es gibt aber kein zugängliches Gericht was beide Fragen gleichzeitig beurteilt und in beiden Ländern getrennt werden beide Abgaben als geltendes Recht erkannt und es gibt deshalb kein Recht auf diese Zurückerstattung.

Vor diesem Hintergrund (und etwas SciFi was ich gerade lese) wäre es wohl wirklich für die Menschheit die Beste Option, wenn eine AI ein konsistentes und zum Wohl der gesamten Menschheit ausgerichtetes Regelwerk schaffen würde. Dann gäbe es auch richtig und falsch. So gibt es nur mehr oder weniger grau und Menschen die das Pech haben erwischt zu werden oder denen man für geringe Verstöße etwas anhängt während andere dreist genug sind mit ziemlich krummen Dingern durchzukommen (man denke nur an CumEx). Und bei globalen langfristigen Herausforderungen versagt das System sowieso. Die nächstbeste Option wären wohl ausgesucht integere INTJs, die mit größtmöglicher Objektivität und Neutralität ihre Entscheidungen treffen würden ohne sich dabei von ihrer persönlichen Meinung oder gar dem persönlichen Vorteil beeinflussen zu lassen. Stattdessen haben wir Politik und die ist alles andere als objektiv, neutral oder blind bezüglich des Vorteils ihrer jeweiligen Wählergruppe.

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